Marktausblick Woche 20: Der deutsche Stachel im Fleisch der europäischen Integration

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Das Update zur Woche mit Felix Herrmann






BlackRock Marktausblick 12. Mai 2020


Befürworter einer tieferen europäischen Integration schlagen dieser Tage die Hände über dem Kopf zusammen. Denn das Urteil des Bundesverfassungsgerichts in Karlsruhe in der zurückliegenden Woche war mehr als nur ein erhobener Zeigefinger in Richtung der Europäischen Zentralbank in Frankfurt und des Europäischen Gerichtshofs in Luxemburg. Wenngleich es womöglich nicht die Intention von Voßkuhle & Co. gewesen ist: Das Urteil war ein weiterer Sargnagel für ein Europa, in dem ein Konsens dahingehend besteht, dass die großen Herausforderungen, denen wir hier auf dem alten Kontinent gegenüberstehen, nur als geschlossene Gemeinschaft begegnet werden kann.

Was nur mögen überzeugte Europäer außerhalb der deutschen Landesgrenzen denken? Einerseits hören sie aus Deutschland gebetsmühlenartige Beteuerungen (etwa seitens der Bundesregierung), wonach Deutschland für ein starkes und geeintes Europa eintrete. Nur wenn Europa stark ist, so lautet das Mantra, kann auch Deutschland prosperieren. Was jedoch stets wie mehr Europa und ein Deutschland, das voran geht, klingt, entpuppt sich mehr und mehr als das genaue Gegenteil. Deutschland und seine Institutionen sind zum Stachel im Fleisch in der europäischen Integration geworden. Ob gewollt oder nicht: Nach dem kategorischen Nein zu einer Fiskalunion, dem Nein zu wesentlichen Elementen der Bankenunion und dem Nein zu Corona- und Eurobonds sorgte das Urteil des Bundesverfassungsgerichts dafür, dass in Deutschland nun auch offiziell jene Institution an den Pranger gestellt wird, die bislang für den kriselnden Kontinent weitestgehend allein die Kohlen aus dem Feuer geholt hat: die EZB. Kein Wunder, dass in Frankreich, Spanien oder Italien die deutsche Haltung zunehmend als verstörend anti-europäisch wahrgenommen wird. Die Eurozone ist - nicht zuletzt wegen Deutschland - bislang lediglich geldpolitisch integriert. Und selbst daran wird nun gerüttelt.

Aber nicht nur die Signalwirkung des Urteils ist fatal, auch die Details des Urteils sind durchaus heikel. Zwar wurde darüber befunden, dass das „Public Sector Purchase Programme“ der EZB als geldpolitisches Instrument anzusehen ist. Zwei Aspekte des Urteilspruchs könnten ihn jedoch zu einer Zäsur werden lassen. Erstens bekam das PSPP nämlich nur deshalb den Stempel „Geldpolitik“, weil es über Charakteristika verfügt (wie etwa ein festes Ablaufdatum oder den Ankauf nach Kapitalschlüssel), die das neue Programm der EZB, das „Pandemic Emergengy Purchase Programme“, explizit außer Kraft setzt. Weitere rechtliche Auseinandersetzungen sind somit quasi bereits fest vorprogrammiert. Zweitens, und nicht weniger delikat, ist die Aufforderung an die EZB, die Verhältnismäßigkeit des Ankaufprogramms innerhalb der nächsten drei Monate zu erläutern. Das ist nicht nur eine Ohrfeige für die EZB unter Mario Draghi, der hier mangelnde Sorgfalt vorgeworfen wird, sondern es hat das Potenzial die Unabhängigkeit der Zentralbank zu untergraben. Die Erläuterung bis August darzulegen, ist für die EZB keineswegs eine hohe Hürde. Wenn allerdings zukünftig etwa in Ausschüssen des deutschen Bundestages darüber diskutiert und befunden wird, ob die EZB-Geldpolitik angemessen ist, dürfte dies der Anfang vom Ende einer unabhängigen Geldpolitik in Europa sein.

Was das für Anleger bedeutet

Am Markt für Risikoaktiva wurde das Urteil des Bundesverfassungsgerichts mit Verweis auf die beschränkten kurzfristigen Auswirkungen weitestgehend ignoriert. Risikoaufschläge italienischer Staatsanleihen zeigten noch die deutlichste Reaktion. Allerdings wahrten auch diese den Abstand zu den Höchstwerten aus dem März. Mittel- bis langfristig könnte das Urteil aus Karlsruhe jedoch durchaus für Nervosität am Markt sorgen. Insbesondere dann, wenn die EZB etwa aufgrund mangelnder Unabhängigkeit in ihrer Beinfreiheit über Gebühr beschränkt wird. Wir stellen unsere Empfehlung, Staatsanleihen der Peripherie überzugewichten daher unter Beobachtung.Auch der Arbeitsmarktbericht aus den USA, der mit dem höchsten Verlust an Stellen außerhalb der Landwirtschaft aller Zeiten auf sich aufmerksam machte, vermochte den positiven Trend an den Märkten nicht zu brechen. Anders als in Europa sorgt eine in Teilen koordinierte und in Sachen Umfang bemerkenswerte Wirtschaftspolitik jedoch dafür, dass die USA gute Chancen haben, wie schon damals nach der Finanzkrise schneller aus dem tiefen Tal herauszukommen als Europa.Dennoch: Bullenmärkte haben ihren Ursprung in tiefem Pessimismus und enden zumeist bei übertriebenem Optimismus. Mit Blick auf die reale Gefahr einer zweiten Corona-Welle, schwächelnde Konsumenten und enttäuschende Unternehmenszahlen weltweit sowie auf eine erneut hochkochende Auseinandersetzung zwischen den USA und China drängt sich weiterhin die Frage auf, ob der Optimismus der Anleger nicht verfrüht ist.





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