Ärztebund sieht Deutschland schon in zweiter Corona-Welle

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Berlin (Reuters) - Der Ärzteverband Marburger Bund macht in Deutschland nach einem Anstieg der Infektionszahlen bereits eine zweite Corona-Welle aus.

"Wir befinden uns ja schon in einer zweiten, flachen Anstiegswelle", sagte die Vorsitzende Susanne Johna der "Augsburger Allgemeinen". Die Krankenhäuser seien dafür aber gerüstet. So lange es keine Arzneimittel zur Behandlung von Covid-19 gebe, müsse die Verbreitung des Virus durch die Abstands- und Hygieneregeln eingedämmt werden. "Wir alle haben eine Sehnsucht nach Normalität. Aber wir sind eben in einem Zustand, der nicht normal ist." Die Infektionszahlen waren in den vergangenen Wochen in vielen europäischen Ländern gestiegen. Französische Wissenschaftler halten eine zweite Welle im Herbst oder Winter für sehr wahrscheinlich. Frankreich habe die Lage zwar noch unter Kontrolle, zuletzt seien die Fallzahlen aber klar gestiegen, erklärte das führende Wissenschaftsgremium.

In Deutschland hatten sich die täglichen Zahlen in den vergangenen Wochen ebenfalls erhöht und pendelten sich zuletzt zwischen 500 und 900 ein. Am Dienstag meldete das Robert-Koch-Institut (RKI) 879 neue Infektionen. Die Fälle insgesamt in Deutschland stiegen damit auf über 211.000. Schon seit Wochen erhöht sich zudem die Zahl der akut Infizierten, die das Virus übertragen können. Sie berechnet sich aus den Gesamtinfektionen abzüglich der Genesenen und Verstorbenen.

Das RKI hatte deshalb zuletzt Alarm geschlagen und nicht ausgeschlossen, dass eine zweite Welle bereits da sei. In den letzten Tagen waren die Neuinfektionen immerhin unter 1000 geblieben. "Entscheidend ist, ob die Fallzahlen weiter ansteigen oder nicht. Die Entwicklung kann man zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorhersagen", teilte das RKI mit.

Die erhöhten Infektionszahlen fallen mit der Rückkehr von Urlaubern zum Teil aus Risikogebieten sowie mit dem Schulbeginn in den Bundesländern zusammen. Das hatte eine Debatte über das richtige Hygiene- und Abstandskonzept an den Schulen geführt. Bundesbildungsministerin Anja Karliczek hatte sich für eine Maskenpflicht ausgesprochen. In Mecklenburg-Vorpommern, wo der Unterricht bereits begonnen hat, wurde diese zunächst nicht verankert. Sie ist nun aber zumindest für ältere Schüler und außerhalb der Klassenräume im Gespräch.

Schleswig-Holstein wiederum, wo der Unterricht nächste Woche regulär beginnt, will auf Zwang verzichten. Eine Maskenpflicht in den Schulen sei angesichts des immer noch niedrigen Infektionsgeschehen im Land unverhältnismäßig, sagte Bildungsministerin Karin Prien (CDU) im Deutschlandfunk. Es gebe aber die dringende Empfehlung, eine Maske überall in den Schulen zu tragen, auch im Unterricht ab Jahrgang sieben.

Die Vereinten Nationen warnten wegen der Schulschließungen weltweit vor einer "Katastrophe für eine ganze Generation". Dass die Schüler sicher zurück in den Unterricht gehen könnten, müsse oberste Priorität haben, sagte UN-Generalsekretär Antonio Guterres. Mitte Juli seien in rund 160 Ländern die Schulen geschlossen gewesen. Davon sei mehr als eine Milliarde Schüler betroffen, mindestens 40 Millionen Kinder hätten die Vorschule versäumt. "Jetzt stehen wir vor einer Katastrophe für eine ganze Generation, durch die unermessliches menschliches Potenzial verschwendet, jahrzehntelanger Fortschritt untergraben und tief verwurzelte Ungleichheiten verschärft werden könnten", warnte Guterres bei der Eröffnung der UN-Kampagne "Save our Future".

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