EZB-Direktorin - Überwindung der Krise wird Jahre dauern

Reuters · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Frankfurt (Reuters) - Die Euro-Zone wird aus Sicht von EZB-Direktorin Isabel Schnabel noch lange mit den negativen konjunkturellen Auswirkungen der Virus-Krise zu kämpfen haben.

Den jüngsten Prognosen der Europäischen Zentralbank (EZB) zufolge werde das Bruttoinlandsprodukt im Euro-Raum Ende 2022 immer noch deutlich unterhalb des Wachstumspfads liegen, der noch im März prognostiziert wurde, sagte Schnabel am Freitag per Videoschalte auf dem Deutschen Juristentag. "Es dürfte also Jahre dauern, bis die wirtschaftlichen Folgen der Krise vollständig überwunden sind," fügte sie hinzu. Die Ökonomin warnte zudem mit Blick auf Deutschland und Frankreich davor, Gelder aus dem europäischen Aufbaufonds statt in Wachstumbereiche zu investieren, zur Konsolidierung der Haushalte einzusetzen.

Die Pandemie habe sehr unterschiedliche Auswirkungen, sagte die Ökonomin. "Dabei sind solche Länder besonders stark betroffen, die bereits vor der Krise ein geringes Wachstum oder einen hohen Schuldenstand aufwiesen." Die Pandemie drohe daher, bereits bestehende Unterschiede zu verstärken. "Auch innerhalb der Länder deutet vieles darauf hin, dass sich die bestehende Ungleichheit weiter verschärft hat," sagte Schnabel. So seien Personen mit geringerem Einkommen, geringerer Bildung sowie Frauen und Jüngere besonders stark getroffen worden. Schnabel ist im sechsköpfigen EZB-Führungsteam für das Ressort Marktoperationen und damit für die konkrete Umsetzung der Geldpolitik zuständig.

Aus Sicht der Ökonomin kann die Geldpolitik auf die zugenommene Ungleichheit nur eingeschränkt reagieren. Hier seien vor allem die Regierungen gefragt. Dies sei Aufgabe der Fiskalpolitik. Diese müsse gezielte Maßnahmen ergreifen, um eine Verfestigung der entstandenen Ungleichheit zu verhindern.

Um zu nachhaltigem Wachstum zurückzukehren, müsse in Zukunftsbereiche wie die ökologische Transformation oder in die digitale Transformation investiert werden, sagte Schnabel. "Auch bei dem Aufbaufonds ist das absolut zentral." Die Signale aus Deutschland und Frankreich gingen aber in die genau gegenteilige Richtung. Denn es heiße, die Länder wollten die Gelder verwenden, um Löcher in ihren Haushalten zu schließen. "Wenn das passieren würde, das wäre tatsächlich ein verheerendes Signal, gerade auch an den Süden Europas." Italien beispielsweise habe seit langer Zeit ein außerordentlich schwaches Wachstum. "Wenn man will, dass dieses europäische Programm ein Erfolg ist, muss es gelingen, diese Länder wieder auf einen ordentlichen Wachstumspfad zu führen."

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