Das neue onvista-Format: Drei Fragen an Bernecker, welche die Märkte beschäftigen - Wird die Rallye durch schlechte Berichtssaison ausgebremst?

onvista · Uhr (aktualisiert: Uhr)

Liebe Leser, heute möchten wir Ihnen unser neues Format „3 Fragen an Bernecker“ vorstellen. Der Name Bernecker steht für über 50 Jahre Börsenerfahrung, Glaubwürdigkeit und hohe Qualität von Analysen. Investmentprofi Hans A. Bernecker, Jahrgang 1937, hat viele Trends an den Kapitalmärkten kommen und gehen sehen und sich über die Jahre einen gewaltigen Erfahrungsschatz aufgebaut, den wir Ihnen nicht vorenthalten möchten. Ab jetzt gibt der Altmeister jeden Freitag Antworten auf drei Fragen, die die Börsen weltweit in Atem halten.

onvista: Herr Bernecker, sind die Märkte schon zu gut gelaufen?

Die aktuelle Tendenz steht auf zwei Beinen. Nach der deutlichen Korrektur zwischen 20 und 25 % im DAX (DAX und Kurs-DAX) begann am 02.01. die neue Tendenz. Sie ist sowohl eine Erholungs- wie auch eine Erwartungstendenz.

Fundamental muss der Markt eine Konjunkturpause einpreisen. Da diese mehrheitlich auf Erwartungen beruht und weniger auf gravierenden Ergebnissen, entsteht eine unklare Einschätzung der Gewinne. Dazu gehören Besonderheiten, auf die noch einzugehen ist. Der DAX-Gewinn liegt in der Konsensschätzung aktuell bei etwa 1.014 € je Aktie per 2020 gegen 903 € je Aktie für das laufende Jahr. Das KGV errechnet sich mithin mit 12,25 nach 13,76. In der Tendenz gilt dies auch für MDAX und TecDAX. Mithin lautet die Frage: Wurde mit den Verlusten des vergangenen Jahres das Konjunkturrisiko ausreichend eingepreist?

Die technische Sicht seit dem 02.01. ergibt: Bis Ende April erreichte der DAX knapp 19 %. Dem folgte die Mai-Konsolidierung um etwa 3 - 4 %, der seit 02.06. nun die Sommertendenz folgt. In dieser Phase stecken wir jetzt. Juli, August sind Ferienmonate und werden von einem deutlich schwächeren Umsatz getragen. In der Regel bis etwa September. Die laufende Berichtssaison führt zu einer Reihe von Adjustierungen. Ergänzend kommt in Deutschland hinzu, wie sich der deutsche Markt auf das Ende des Merkel-Systems einstellt. Dafür gibt es ein einziges Vorbild, der Verlauf von 1982. Im Oktober dürften dann die Entscheidungen anstehen.

onvista: Die Gewinnwarnungen häufen sich. Müssen Anleger für die Berichtssaison das Schlimmste erwarten?

Bei den Gewinnwarnungen sind zwei Dinge zu unterscheiden: Einmalunfälle und eine strukturelle Ertragsschwäche. Typisch zyklische Sektoren unterliegen diesen Schwankungen deutlicher. Paradefall ist der Stahl. Die Tech-Sektoren weisen dagegen nur wenige Korrekturen auf, wie bisher bestätigt. Das ergibt deutliche Korrekturen für die Stahltitel wie Salzgitter oder Klöckner und nur bedingt Thyssen, unsichere Erwartungen in der Massenchemie wie BASF, aber schon deutlich differenzierter in Richtung Spezialchemie, wie Covestro, Lanxess oder Wacker Chemie zeigen. Völlig ausgenommen sind die Sektoren Telekom, Post etc. Außerhalb der Vergleichbarkeit gilt dies auch für Banken. Also: Es gibt eine Vielfalt von Einzelerscheinungen, aber keine strukturelle Ertragsschwäche im deutschen Markt.

onvista: Daimler hat in drei Wochen gleich zweimal gewarnt. Ist der Tisch jetzt aufgeräumt und bietet sich eine Chance oder würden Sie von der deutschen Automobilindustrie aktuell die Finger lassen?

Daimler ist der Paradefall für eine besondere Mischung von Strukturproblemen und taktischen Finessen. Dass die Autogewinne in diesem Jahr unter Druck stehen würden, ergibt sich aus der Problematik Verbrennung und E-Mobility und den Restrisiken aus dem Thema Diesel. Gekonnt gemacht: Schon im Mai kannte der Daimler-Vorstand die Restrisiken aus den genannten Gebieten, verschwieg sie jedoch. Warum? Um den Abgang von Herrn Zetsche gebührend zu feiern. Sein Nachfolger packt alle Eventualrisiken in das Ergebnis des ersten Halbjahres hinein, woraus ein massiver Verlust entsteht. Damit hat er eine saubere Weste für die Zukunft und sämtliche Risiken sind abgehakt. Mit der strukturellen Ertragsstärke von Daimler hat dies nichts zu tun.

Jeder neue Chef versucht diesen Weg zu gehen. Das ist verständlich und nachvollziehbar, aber zu berücksichtigen. Also: Einmalvorfälle wie im Falle Daimler dürfte es noch mehrere geben, insbesondere nach Chefwechseln.

www.bernecker.info

Foto: Bernecker

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